In der sogenannten Pubertät klappt vieles nicht. In einer großen Studie der Organisation Dogs Trust wurde bei fast 1000 Hunden im Alter von 6 und 9 Monaten das vorhandene Problemverhalten erhoben. Und das Ergebnis brachte ein spannendes, aber bei näherem Betrachten gar nicht so verwunderliches Gesamtbild zutage.
Aber fangen wir von vorne an:
Welche Verhaltensprobleme beklagten die Hundebesitzer?
Mit 6 Monaten waren die häufigsten Verhaltensprobleme:
- Anspringen von Menschen
- Kauen/Begatten/Spielbeißen von Händen/Kleidung
- Ziehen an der Leine
- Probleme mit dem Rückruf
Mit 9 Monaten waren die häufigsten Verhaltensproblemen:
- Ziehen an der Leine
- Anspringen von Menschen
- Probleme mit dem Rückruf
- Exzessives Bellen
Damit sind die häufigsten genannten Problemverhalten, sowohl bei 6 Monaten, als auch bei 9 Monaten alten Hunden:
- Ziehen an der Leine,
- Anspringen von Menschen und
- ein schlechter Rückruf.
Ebenfalls als Problemverhalten genannt, aber weniger häufig waren:
- Ressourcenverteidigung,
- Bellen bei Geräuschen,
- Anbellen von anderen Hunden,
- Anbellen von Besitzer und fremden Menschen,
- Probleme mit dem Alleinsein sowie
- destruktives Verhalten in der Wohnung.
Dabei war das Problemverhalten der Hunde nicht bei allen Hundehaltern gleich schlimm:
- Weibliche Hundehalter,
- Besitzer, die arbeitslos/pensioniert oder ständig zuhause waren,
- Hundebesitzer, die keine Hundeschule besuchten oder planten und
- Hundebesitzer, die einen Mix aus Positiver Verstärkung und Positiver Bestrafung oder reine Positive Bestrafung anwandten,
hatten mit ihrem 9 Monate alten Hund die meisten Verhaltensprobleme.
Interessant war auch, dass Hundebesitzer, die
- ständig zuhause waren,
- ausschließlich Positive Bestärkung benutzen,
- bisher keine Hundeschule besucht hatten sowie
- Besitzer von kleinen Hunden
das Problemverhalten nicht als Problem einstuften, obwohl es genauso da war, wie bei den anderen Umfrageteilnehmern.
Jeder Junghund hatte im Schnitt 1,7 Problemverhalten
Das heißt, dass Menschen, die ausschließlich positive Verstärkung benutzen, 1,8 mal häufiger Problemverhalten nicht als solches bezeichneten, obwohl es genauso häufig auftrat, wie bei den Menschen, die eine Kombination von Positiver Verstärkung und Bestrafung oder ausschließlich Positive Bestrafung benutzten. Auch Besitzer von kleineren Hunden gaben 1,9 mal weniger Problemverhalten an, obwohl es genauso häufig wie bei mittleren und großen Hunden auftrat. Hundehalter, die mit dem Welpen/Junghund keine Hundeschule besucht hatten, hatten 3 mal häufiger Problemverhalten mit 9 Monaten nicht als solches eingestuft.
Im Schnitt wurde jedem Hund eine Anzahl von 1,7 Problemverhalten mit 6 sowie auch mit 9 Monaten nachgesagt.
Ob ein „Problemverhalten“ ein Problem ist, kommt auf den Hundebesitzer drauf an
Diese Studie bestätigt also, dass Hundebesitzer Problemverhalten bei ihren Hunden haben, es aber nicht als solches wahrnehmen. Es kommt also auf den Hundebesitzer an, was er als Problem ansieht und was nicht. Dazu kommen natürlich auch noch andere Faktoren, wie Größe des Hundes, wie oft man den Hund sieht, welche Trainingsmethode man wählt und ob man mit 16 Wochen eine Hundeschule besucht oder nicht.
Entwicklung von unerwünschten Verhalten
Die Entwicklung von unerwünschten Verhalten ist oft komplex und setzte sich aus verschiedenen Faktoren zusammen. Die Genetik, die Entwicklung und die gemachten Erfahrungen sind nur ein Teil davon.
Zum Beispiel ist ein ausgeprägtes Hetzverhalten bei manchen Rassen häufiger zu finden, aber dennoch von Tier zu Tier individuell stärker oder schwächer ausgebildet und davon abhängig, ob es durch positive Erfahrungen verstärkt wurde. Ein weiteres Beispiel: Das Anspringen von Menschen. Dieses Verhalten wird von uns Menschen durch unsere Reaktion beeinflusst, aber auch individuelle Faktoren des Hundes spielen eine Rolle sowie frühe Lernerfahrungen mit bekannten und unbekannten Menschen.
„Problemverhalten“ ist „Normalverhalten“, das abtrainiert werden kann
Abschließend bleibt zu sagen: Viele der als „Problemverhalten“ bezeichneten Verhaltensweisen sind eigentlich „Normalverhalten“ des Hundes und damit eine natürliche Reaktion auf seine Lernumgebung, die aber in unserer Gesellschaft als nicht akzeptabel eingestuft werden.
Problemverhalten kann aber auch durch pathologische Veränderungen entstehen, Schmerzen können so etwa Verhaltensweisen hervorrufen, die der Hund ohne nicht machen würde. Es sieht allerdings so aus, dass manche Hundebesitzer Problemverhalten als das bezeichnen, was negative Auswirkungen auf das tägliche Leben macht. Das sind also zum Beispiel ein schlechter Rückruf oder eine soziale Unverträglichkeit mit anderen Hunden oder Menschen.
Probleme von Hunden im Alter von über 18 Monaten
Bei klinischen Verhaltensmedizinern suchen die meisten Menschen übrigens erst bei aggressiven Verhalten, starker Angst und gravierenden Problemen mit dem Alleinsein Hilfe. Diese Verhaltensprobleme werden im Schnitt im Alter von über 18 Monaten als solche betitelt. Das heißt, dass sie vermutlich in jüngeren Jahren auch bereits vorhanden waren, aber nicht so problematisch waren, dass sie als Problem angesehen wurden.
Fazit für deinen 6 bis 9 Monate alten Hund mit „Verhaltensproblemen“
Versuche also das problematische Verhalten deines Hundes nicht als Problem anzusehen, sondern als natürliches Verhalten, das du durch Erziehung und Lesen der Bedürfnisse deines Hundes so formen kannst, dass du und dein Hund damit leben könnt. Es ist natürlich auch falsch, wenn du die Augen verschließt und nichts tust – ihr müsst ja gemeinsam gut auskommen lernen. Du kannst also eure Mensch-Hund-Beziehung durch gutes, positives Training und Managementmaßnahmen so verändern, dass ihr als harmonisches Team lebt.
Brauchst du Hilfe mit deinem Hund? Ich helfe euch gerne – sowohl online weltweit, als auch bei dir vor Ort in Oberösterreich. Liebe Grüße, deine Doris von Tierperspektive.
Literatur:
Lord MS, Casey RA, Kinsman RH, Tasker S, Knowles TG, Da Costa REP, Woodward JL & Murray JK (2020): Owner perception of problem behaviours in dogs aged 6 and 9-months, in Applied Animal Behaviour Science 232, 105147, https://doi.org/10.1016/j.applanim.2020.105147