Hundebesitzer und die (fehlende) Aufmerksamkeit vom Hund

by | Juli 1, 2025 | Hunde | 0 comments

Kennst du diese Momente, in denen du denkst:

„Mein Hund ignoriert mich!“
„Er hört einfach nicht, obwohl er’s kann!“

Dann bist du in guter Gesellschaft – und mitten im spannendsten Thema unserer Beziehung zu Hunden: Aufmerksamkeit.
Denn was wir als „fehlend“ empfinden, ist oft kein Ungehorsam, sondern ein Missverständnis in der Kommunikation.


🧠 1. Was Aufmerksamkeit beim Hund wirklich bedeutet

Aufmerksamkeit ist kein Knopf, den man drückt, sondern ein Zustand geteilter Wahrnehmung.
Im Alltag heißt das: Hund und Mensch richten ihren Fokus aufeinander – oder verlieren ihn.

In der klassischen Lerntheorie wurde Aufmerksamkeit als trainierbare Fähigkeit verstanden:
Der Hund soll „auf Kommando“ hinschauen, um dann zu lernen.
Doch aktuelle Forschung zeigt: Aufmerksamkeit ist sozial, nicht mechanisch.

Der Hund entscheidet, wem er zuhört – basierend auf Vertrauen, Stimmung, Situation und gemeinsamer Erfahrung.


🔍 2. Was Studien zeigen – und was sie übersehen

Die Studie von Mongillo et al. (2016) untersuchte, ob Hunde Aufmerksamkeit „lernen“ können.
Erfahrene Teams hielten den Blickkontakt länger, insbesondere unkastrierte Hündinnen.
Das klingt, als wäre Aufmerksamkeit das Ergebnis von Training – doch das greift zu kurz.

Neuere Arbeiten (Topál et al. 2009; Range & Huber 2021) zeigen,
dass Hunde – ähnlich wie Kleinkinder – die Absichten ihres Gegenübers verstehen.
Sie folgen nicht nur Blicken, sondern lesen Kontext, Energie und Bedeutung.

Aufmerksamkeit entsteht also nicht, weil der Mensch sie fordert,
sondern weil der Hund eine Beziehung wahrnimmt, die Sinn ergibt.


💬 3. Aufmerksamkeit ist keine Leistung, sondern Resonanz

Ein Hund „hört“ nicht, weil er muss, sondern weil er sich mit dir synchronisiert.
Diese gemeinsame Aufmerksamkeit – „joint attention“ – entsteht in drei Schritten:

  1. Wahrnehmen: Der Hund beobachtet, wie du dich bewegst, atmest, fühlst.

  2. Bedeutung geben: Er erkennt, warum du etwas tust.

  3. Mitgehen: Er stimmt sich auf dein Verhalten ein.

Das ist kein Tricktraining, sondern Kommunikation.
Wenn du dich innerlich sammelst, klare Bewegungen machst, ruhiger wirst – reagiert dein Hund sofort.
Nicht, weil du ihn „trainiert“ hast, sondern weil ihr euch gegenseitig lest.


⚖️ 4. Vergleich: Behaviorismus vs. Sozio-Kognitiv

Behavioristisch (klassisch) Sozio-kognitiv (Tierperspektive)
Aufmerksamkeit = erlernte Reaktion auf Signal Aufmerksamkeit = geteilter Fokus aufeinander
Ziel: Gehorsam & Kontrolle Ziel: Verständigung & Vertrauen
Methode: Wiederholung, Verstärker Methode: Ruhe, Raum, Blick, Timing
Motivation: externe Belohnung Motivation: Beziehung, Sicherheit
Erfolg: Hund schaut Mensch an Erfolg: beide nehmen einander wahr

Dieser Unterschied verändert alles:
Anstatt Aufmerksamkeit einzufordern, schaffen wir Situationen, in denen sie freiwillig entsteht.


🌬️ 5. Wenn Ablenkung normal ist

Viele Halter:innen glauben, der Hund müsse immer aufmerksam sein.
Doch selbst in Studien zeigen Hunde in Alltagssituationen von Natur aus wechselnde Aufmerksamkeit – wie wir Menschen auch.

Ablenkung ist kein Versagen, sondern eine Information:
Der Hund teilt dir mit, was gerade wichtiger ist als du.
Je besser du seine Motivation verstehst, desto leichter findest du den Weg zurück in den gemeinsamen Fokus.


🌿 6. Fazit: Aufmerksamkeit kann man nicht erzwingen

Aufmerksamkeit lässt sich nicht herstellen – sie wächst dort,
wo Beziehung, Sicherheit und gegenseitiges Interesse entstehen.

Ein Hund folgt nicht, weil er trainiert wurde,
sondern weil er sich in deiner Gegenwart verstanden fühlt.

„Verstehen ersetzt Kontrolle – und Kommunikation ersetzt Konditionierung.“
– Tierperspektive-Ansatz, Doris (2025)


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📚 Literatur

Mongillo, P., Pitteri, E., Candaten, M., & Marinelli, L. (2016). Can attention be taught? Interspecific attention by dogs (Canis familiaris) performing obedience tasks. Applied Animal Behaviour Science.
Topál, J., Miklósi, Á., Gácsi, M., Dóka, A., Pongrácz, P., Kubinyi, E., Virányi, Zs., & Csányi, V. (2009). Shared attention in dog–human interaction: Evidence from comparative cognition. Journal of Comparative Psychology.
Range, F., & Huber, L. (2021). Social cognition in dogs: Understanding others and sharing experiences. Current Directions in Psychological Science.
Marchesini, R. (2016). Post-humanist Perception and Interspecies Dialogue. Mimesis International.

Doris von Tierperspektive – Kommunikation statt Konditionierung
Doris von Tierperspektive

Als Biologin (MSc) mit Schwerpunkt Human–Animal Interactions begleite ich Mensch und Hund dabei, sich wirklich zu verstehen – ohne Dressur, ohne Druck, ohne Leckerli-Tricks. Kommunikation statt Konditionierung.

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